Archiv der Kategorie: Urlaub Mai 2024

Über Seen, Berge und Zwerge …

die sich zu wichtig nehmen.

Der Geist des Sees war also immer da. Wenn ich ihn lange Zeit nicht mehr gespürt habe, so lag das wohl nicht an ihm.

Als wir am Freitagabend am Passo Nigra vor dem atemberaubenden Rosengartenmassiv standen, entdeckten wir an seiner rechten Flanke einen Lift, der es Skifahren wohl ermöglichen soll, eine noch nicht einmal hundert Meter lange, steile Piste auf einem der heiligsten Wahrzeichen Südtiroler Lebensart hinunterzurutschen.
Welch ein Frevel! Menschen hängen Kruzifixe in Amtsstuben und pissen gleichzeitig aus purer Geldgier der Natur mitten ins Gesicht.

„Wenn ich wieder auf die Welt komme, möchte ich ein Berg werden.“, meinte Ina ehrfürchtig beim Anblick von Laurin und seinem Rosengarten. „Egal, was kommt – ob Eiszeiten, Gewittersturm, oder Gluthitze – ich lasse einfach alles an mir abprallen. Und dann schmeiße ich einfach schmunzelnd immer mal ein paar Lawinen auf die Trottel, die meinen, mich bezwingen zu können.“

Laurinswand und Rosengartenspitze und Schneefeld auf dem Gartl

Wie recht sie hat.

Wir Menschen können Bergen die wüstesten Narben ins Gesicht fräsen, wir können sie sprengen, ihnen in heißen Sommern ihr kühlendes Kleid aus Gletschern vom Leib reißen, das Eis in ihrem Inneren zum Schmelzen bringen, damit ganze Gipfel in die Tiefe stürzen.
Versetzen können wir sie – im Gegensatz zu dem im Volksmund so oft zitierten Irrglauben – jedoch  nie. Ganz egal wie sehr wir an irgendetwas glauben.
Denn auch wenn wir ihre Gipfel zum Einstürzen bringen,  mag das aus unserer Zwergenperspektive durchaus dramatisch anmuten. Doch in er Zeitrechnung dieser ehrwürdigen Kolosse bedeutet ein Menschenleben noch nicht einmal eine Nanosekunde. 
Und so wachsen sie Jahr für Jahr um zwei Millimeter nach. In einem Menschenleben, noch nicht einmal einer Nanosekunde also, etwa sechzehn Zentimeter.

Und wie wir so vor dem phantastischen Massiv standen und auf den Sonnenuntergang warteten, brach die Dämmerung herein – ganz ohne, dass sich irgendetwas auch nur annähernd rötlich einfärbte.

Dennoch waren wir nicht enttäuscht, als wir nach Hause fuhren. Der Eindruck dieses unbeschreiblichen, acht Kilometer breiten Massivs hallte noch nach.
Am Ende des Passes in St. Zyprian angekommen, drehten wir uns noch einmal um – und siehe da: das komplette Massiv strahlte plötzlich und unerwartet in leuchtendem Rot. Ganz offenbar, war der Sonne nur kurze Zeit ein Berg im Weg gestanden.
Nun gut. Das eigentliche „Gartl“, der Schuttkar zwischen Rosengartenspitze und Laurinswand war jahreszeitbedingt noch mit Schnee bedeckt. Doch geleuchtet hat es trotzdem.

Aber zwei wichtige Dinge haben wir beide mit nach Hause genommen:

  • Zwerge neigen manchmal dazu, sich zu überschätzen
  •  [De]Mut zur Umkehr kann [nicht nur in den Bergen] belohnt werden.

Der Geist der Berge war nie weg.

Fortsetzung folgt.

Ciao Benaco!

Wieder einmal ein Abschied … 

Doch die alte Melancholie, die mich eigentlich immer befallen hat, wenn ich am letzten Abend auf den See hinunterschaute, ist nicht mehr da.

Dieses Mal ist es anders, vielleicht weil die Tage am See  nur eine Ouvertüre, ein kurzes Vorspiel waren, auf so viel, was noch kommen wird.

Es war schön und auch wichtig, wieder einmal im Mai hier gewesen zu sein. Sicher hat sich viel verändert in all den Jahren, und rings um mich herum lässt eine Unzahl von Kränen vermuten, dass der Wandel noch längst nicht abgeschlossen ist – oder vielleicht sogar gerade erst richtig beginnt.

Und dennoch habe ich dieses Jahr kein ungutes Gefühl. Seit langer Zeit habe ich ihn wieder einmal gespürt. Vielleicht geht es ja nur mir so, dieser See übt eine ganz besondere Magie auf mich aus, die lange Zeit in einer überbordenden Welle respektlosen Konsums auf der einen und ungezügelter Profitgier auf der anderen Seite zu ertrinken drohte.

Welch ein groteskes Bild – ein ertrinkender See!

Doch der Benaco ist zurück. In all seiner Pracht, in all seinen Farben und Gerüchen und mit all der Gewalt, die die Natur sowohl ihm als auch seiner Umgebung verliehen hat.

Für mich hat es etwas ungemein Tröstliches, dass wir Menschen ihm scheinbar nichts anhaben können. Das gibt Hoffnung und Zuversicht.

Morgen geht es aber erst einmal weiter zu einem weiteren Sehnsuchtsort: der Schlern. Und die Wetteraussichten sind perfekt, sodass wir vielleicht bereits in der morgigen Abenddämmerung König Laurin ein Schnippchen schlagen können, und uns im Anblick seines Rosengartens suhlen dürfen.

Fortsetzung folgt …

 

Regen in Bardolino II …

… oder der Luxus einer Option

Nach dem Veröffentlichen des Artikels BARDOLINO, 14°, REGEN – DIE FRISUR SITZT bin ich ins Grübeln gekommen.

Was, wenn ich die vor die Entscheidung gestellt würde, ob ich meine Ferien am Gardasee bei Regen oder in Pforzheim bei Sonnenschein verbringen möchte? 
Dabei ist mir erst so richtig bewusst geworden, dass ich  diese Entscheidung überhaupt erst einmal habe.
Damit gehöre ich  einer extrem kleinen, privilegierten Minderheit an, denn für die überwiegende Mehrheit der Menschheit wird es eine solche Option niemals geben.

Mehr noch! Betrachtet man das Ganze unter dem Gesichtspunkt der Menschheitsgeschichte, wird einem noch viel krasser vor Augen geführt, wie gering meine Chance bei meiner Geburt doch war, zu den Auserkorenen zu gehören, die unter all den Menschen, die je auf diesem Planeten gelebt haben, diese Wahl zu haben.

Und doch machen wir uns Gedanken darüber, ob es vielleicht nicht doch besser gewesen wäre, nach – was weiß ich wo – gereist zu sein.

Zeit zur Einkehr. Und zur Demut. Das Wetter passt dazu!

La vita é bella!