Mein Leben In der Diktatur

Ich habe lange überlegt, ob ich mich wirklich outen soll – schließlich ist es nicht ungefährlich, sich in einem totalitären Gewaltregime über ein totalitäres Gewaltregime zu äußern.

Doch angesichts der sich mehrenden Übergriffe der gleichgeschalteten Presse und Exekutivorganen halte ich es für meine Pflicht, hier auf einer der letzten unabhängigen Plattformen, Stellung zu beziehen. 

Mein Name ist A.H. aus A. (Anm. der Red.: Die vollständige Identität des Autors ist der Redaktion bekannt!)
Ich wurde 1961 in O. bei H. geboren und wuchs in einem Elternhaus auf, das viele Leute, die von der Medienwillkür dieses Landes verblendet wurden, als wohlbehütet ansehen würden.
Lange Zeit bin auch ich selbst diesen Lügen aufgesessen, doch mittlerweile haben mir sowohl die immer dreister werdenden Einschnitte in mein Recht auf persönliche Entfaltung als auch die Lektüre führender Philosophen und Regimekritiker die Augen geöffnet.

Meine Eltern waren, wie so viele bei uns, Opfer der Nazidiktatur und  überhaupt nicht in der Lage, die auf perfide Weise subtile Indoktrination der Machthaber und ihrer Schergen in irgendeiner Form zu durchschauen.
Erst heute wird mir bewusst, wie sehr mich die Menschen, denen ich am meisten vertraut hatte, an meiner persönlichen Entwicklung gehindert haben. Bitte nicht falsch verstehen: Sie haben es immer gut gemeint. Aber gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht!
Als ich beispielsweise mit sieben Jahren einem Nachbarsmädchen mit einem Taschenmesser, das ich aus der Werkstatt meines Großvaters geborgt hatte, meinen Namen in die Stirn ritzen wollte, hat mich meine Mutter mit derart brachialer Gewalt daran gehindert, dass mir das Messer aus der Hand fiel. Doch das war längst nicht alles!
Ich musste mich bei dem Mädchen entschuldigen!
Kann sich irgendjemand vorstellen, wie demütigend es für einen Siebenjährigen ist, sich bei einem Mädchen zu entschuldigen?
Wie sehr ein solch erniedrigender Akt seine persönliche Entwicklung stört und sein Selbstvertrauen bis ins Mark erschüttert?
Auf diese Weise wurde ich gebrochen. Stück für Stück zu einem dieser Mitläufer demontiert, denen man jegliche Form von Nonkonformismus und zivilem Ungehorsam aus dem Leib züchtigt.
Auch in der Schule lief es nicht besser. Meine konstruktiven Ideen für eine bessere Gesellschaft wurden nicht nur ignoriert, man hat mich mit übelsten Zensuren dazu gezwungen, fragwürdige, phantasielose Theoreme kritiklos nachzuplappern.
Von freier Entfaltung meiner Kreativität keine Spur!
Im Gegenteil!
Mit der Zeit habe ich sogar damit begonnen, an der Brillanz meiner gesellschaftlichen Gegenentwürfe zu zweifeln!

Doch dann begingen die da oben einen großen Fehler. Um die Effizienz der weltweiten Gleichschaltung zu steigern, haben sie das Internet erfunden – ohne allerdings zu ahnen, dass wir alle noch da waren, auch wenn sie uns zum Schweigen gebracht hatten.
All die Freigeister, die Andersdenkenden, die Rechtsüberholer, die sich nicht an überkommene Regeln halten wollen, die nur dafür geschaffen wurden, um den wahren Fortschritt zu verhindern. Nein, wir bremsen nicht mehr für all die Dummköpfe, die Schwachen, die einfach nur jemanden brauchen, der ihnen alle Entscheidungen abnimmt!
Endlich können wir uns wehren, uns organisieren und die da oben entlarven!

Verfolgt uns! Foltert uns! Tötet uns! Es wird euch nichts nützen! Wir werden eure Mediendiktatur überwinden!


Und dann gnade euch allen Gott!

Typisches Merkmal eines Polizeistaates: Polizist provoziert einen DemonstrantenTypisches Merkmal eines autokratischen Polizeistaates: Ein Beamter provoziert einen friedfertigen Demonstranten so lange, bis er sich nur noch gewaltsam gegen die unangemessenen Beschneidungen seiner Rechte zu wehren weiß.